So weit, so unklar!

 

Meine Kritik an deinem Essay - so viel sei gleich gesagt - ist nicht vollständig. Einige Wörter/Begriffe waren mir völlig fremd und auch durch die Verwendung zweier Lexikas sowie einer nervenden, weil unglaublich komplizierten und daher schneller als gedacht abgebrochenen Internetrecherche ließ sich in manchen Fällen kein Licht ins Dunkel bringen.

Daher richte ich zuerst einige Verständnisfragen an dich, nicht ohne mir die Kritik zu verkneifen, das unsere Essays zwar tiefgründig, aber auch vollständig verständlich sein sollten. Du kannst zwar argumentieren, das ich als Student im 3. Semester inzwischen all diese Begriffe nicht nur kennen sondern auch verstehen sollte (was ich bezweifeln möchte), aber immerhin sind unsere Essays ja auch auf unserer Homepage zu lesen und ich könnte mir denken, das sich der ein oder andere Leser denn doch einmal ein paar Fußnoten zu Begriffen wie solipsistisch oder Pantheismus wünschen wird.

 

1. Notdurft: Ich weiß zwar, was dieses Wort im Alltagsgebrauch bedeutet, jedoch gebrauchst du es in einem Zusammenhang, in dem es etwas anderes heißen muss. Du schreibst: Überdies stellt man eine aus der Notdurft und Unzulänglichkeit der eigenen Ideen geborene, unverkennbare Neigung fest, (...) "Aus der Notdurft geboren - was soll denn das heißen? Heißt es vielleicht hier so etwas wie Mangel, also Aus dem Mangel an eigenen Ideen geboren. Ich vermute es, bin mir aber nicht sicher.

 

2. amphibolisch: Kein noch so schlaues Buch enthielt dieses Wort. Was heißt das?

 

3. theosophisch: In einem meiner Lexikas findet sich dazu folgende Definition: theosophisch, die Theosophie: mystische Richtung der Theologie und Philosophie, die höheres Wissen um Gott und seine Geheimnisse durch unmittelbares inneres Schauen erstrebt? Durch inneres Schauen? Achselzucken, Ratlosigkeit, diese Definition sagt mir nichts. Kannst du mir auch hier weiter helfen?

 

4. hermetisch: Keine Angst, ich weiß was das heißt, vermute aber an dieser Stelle (Seite 3, Zeile 6) einen Schreibfehler deinerseits. Kafka hat sich also mit hermetischen Fragen beschäftigt? Mit dicht abgeschlossen, verriegelten Fragen? Müsste da nicht hermeneutisch stehen, was heißen würde, das Kafka sich mit der Kunst und Lehre der Auslegung von Schriften, Dokumenten, Kunstwerken befaßt hat? Tell me!

 

5. Hybridwesen: Was ist Hybrid? Korrespondiert das zu Hybris, also zu frevelhaftem Übermut?

 

6. sukzessiv: selbst wenn sich sukzessiv herausstellt (...) Heißt das: selbst wenn sich nach und nach herausstellt?

 

7. solipsistisch: ?!!

 

So weit, so unklar! So bald mir klar ist, was die einzelnen Begriffe bedeuten bzw. sobald mir der Zusammenhang klar ist, in denen mir eigentlich bekannte Begriffe gebraucht wurden, werde ich eventuell noch eine kleine kurze Kritik nachschieben, da dann die Überwindung meiner Dummheit perfekt ist durch das hergestellte Verständnis deines gesamten Essays.

 

Nur noch eines vorneweg: Dein Essay hat mich zu großen Teilen überzeugt. Der selbstgestellte Anspruch einer textimmanenten Interpretation ist erfüllt worden und deine Deutung ist gehaltvoll genug, um mit Recht als tiefgründig bezeichnet zu werden. Dein Essay kann zu einer guten Diskussionsgrundlage werden, da du nicht nur textimmanent den Roman gedeutet hast, sondern zusätzlich interessante Fragen, die über den Prozeß hinausgehen, aufgeworfen hast. Selbstverständlich werde ich auf die positiven Aspekte deines Essays so ausführlich es mir möglich und sinnvoll scheint, eingehen. 

Dennoch, wem gelingt schon ein perfektes Essay? Auch einige Unstimmigkeiten sind mir aufgefallen, trotz der gerade verteilten Blumen ...

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