1. Vorwort

 

Kaum eine literarische Neuerscheinung hat im letzten Jahr so viel Staub aufgewirbelt wie Martin Walsers Tod eines Kritikers. Frank Schirrmacher, seines Zeichens Herausgeber der FAZ, veröffentlichte am 29.05.2002 in selbiger Zeitung einen offenen Brief an Martin Walser. Er lehnte in diesem Brief den von Walser gewünschten Vorabdruck des noch unveröffentlichten Romans in der FAZ ab und bezeichnete das Werk unter anderem als "Exekution" und als "ein Dokument des Hasses". Das Thema des Buches - laut Schirrmacher: "Es geht um den Mord an einem Juden."

Diese öffentliche Absage fachte die bereits seit Wochen schwelende Antisemitismus-Debatte in Deutschland, die durch Äußerungen des FDP-Politikers Jürgen W. Möllemann über Talkmaster Michel Friedman ausgelöst wurde, noch einmal richtig an. Stellvertretend für die Öffentlichkeit diskutierten die Feuilletons, deren Redakteure den Inhalt des Romans bereits kannten, über den antisemitischen Gehalt des Buches. Der Autor wies die Antisemitismusvorwürfe zurück und betonte immer wieder das Kernthema seines Romans: Machtausübung im Literaturbetrieb. Diese Thematik behandelten die meisten Rezensenten jedoch - wenn überhaupt - nur am Rande. Schließlich entsprach der Suhrkamp-Verlag der Bitte seines Autors und entschied, das Erscheinen des Buches vorzuziehen, damit sich die literarisch interessierte Öffentlichkeit endlich eine eigene Meinung bilden könne.

Dieses Essay soll ein bescheidener Versuch sein Walsers Auseinandersetzung mit dem Thema Machtausübung im Literaturbetrieb in den Mittelpunkt zu stellen und zu beurteilen. Die Abschnitte 3-7 konzentrieren sich ausschließlich auf diese Aufgabe. Der Abschnitt 8 bezieht sich auf den Teil der damaligen Antisemitismus-Debatte, der sich auf dieses Buch bezog.

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