Zur 3. These

 

Eigentlich ist es überflüssig, sich zu dieser These noch separat zu äußern, da sie sich aus der 1. und 2. These ableitet und mit deren Haltbarkeit steht und fällt.

Man sollte aber meinen, daß der innerpersönliche Konflikt von Josef K. – zugleich mit der Projektion von "Über-Ich" und "Es" – nach außen bzw. in den Traum transformiert, verlagert, übertragen wird. Sodann müßte dieser Konflikt entweder zwischen verschiedenen Personen, nämlich zwischen den Über-Ich-Repräsentanten und den Es-Repräsentanten, oder innerhalb der Personen, die sowohl Stellvertreter für das "Über-Ich", als auch für das "Es" von Josef K. sind, erkennbar sein. Das ist es jedoch nicht. Es gibt überhaupt keine Konflikte zwischen den angeblich durch Projektion erschaffenen Personen, die vermeintliche Persönlichkeitskonflikte von Josef K. widerspiegeln könnten. Zudem wäre das eine vollkommene Verschiebung der eigentlichen zentralen Konflikte des Romans, die sich entweder zwischen den auftauchenden Personen und K. persönlich abspielen oder in seinem Inneren. Ich möchte auch zu bedenken geben, daß der innerpersönliche Konflikt von Josef K. nicht, wie es deine Thesen implizieren, von Anfang an voll ausgeprägt ist, sondern sich im Laufe der Handlung entwickelt, zunimmt und verschärft. Aus dem Menschen, der die Schuld rigoros von sich weist, wird der Zweifler. Aus dem Mutigen wird der Gleichgültige. Aus dem Tatkräftigen wird der Ohnmächtige und Gelähmte. Es gibt hier also ein Gefälle vom Gesunden hin zum Krankhaften. Vielleicht sollte man als Analytiker zuerst diese Psychopathogenese beschreiben und nachvollziehen, deuten und kennzeichnen, bevor man derartig starke Thesen, die sich schwerlich rechtfertigen lassen und deren Erklärungs- bzw. Interpretationswert gegen Null tendiert, in den Raum stellt.

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